Haftung des Architekten für unrichtige Bautenstandsberichte

Der für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat hat entschieden, dass den Erwerbern einer noch zu errichtenden Eigentumswohnung Schadensersatzansprüche gegen den vom Veräußerer mit der Bauleitung beauftragten Architekten zustehen können, wenn dieser unrichtige Bautenstandsberichte erstellt hat, die vereinbarungsgemäß Grundlage für die ratenweise Zahlung des Erwerbspreises sein sollen.

Die Kläger haben von S. eine auf der Grundlage einer konkreten Baugenehmigung noch zu errichtende Wohnung erworben. Der Erwerbspreis war in acht Raten zu bezahlen. Die für die Fälligkeit ab der zweiten Rate erforderlichen Bautenstandsberichte waren im Auftrag des S. von dem beklagten Architekten, dem unter anderem die Bauaufsicht übertragen war, zu erstellen.

Der Beklagte hat gegenüber der den Erwerbspreis finanzierenden Bank verbindlich erklärt, der verantwortliche Bauleiter des Bauvorhabens zu sein und bestätigt, dass das Bauvorhaben nach den genehmigten Bauplänen errichtet werden solle. Der Beklagte hat sieben Bautenstandsberichte gefertigt. Die Kläger haben den Beklagten haben gesamtschuldnerisch mit S. auf Schadensersatz verklagt. Sie machen geltend, der Beklagte habe in den Bautenstandsberichten trotz entsprechender Kenntnis weder auf Mängel noch auf die nicht der Baugenehmigung entsprechende Ausführung des Bauvorhabens hingewiesen. Seine unrichtigen Bautenstandsberichte seien Grundlage für die Auszahlung der Raten durch die finanzierende Bank gemäß dem Zahlungsplan gewesen. Hätte der Beklagte die Bautenstandsberichte zutreffend erstellt, hätten sie nach der ersten Rate keine weiteren Zahlungen auf den Erwerbspreis erbracht.

Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Kläger hat der Senat dieses Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Entgegen dessen Auffassung kann den Klägern gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch zustehen, wenn der Beklagte schuldhaft unrichtige Bautenstandsberichte erstellt und dadurch von den Klägern nicht geschuldete Zahlungen auf den Erwerbspreis veranlasst hat. Die Kläger sind in den Schutzbereich des zwischen dem Beklagten und S. abgeschlossenen Architektenvertrags einbezogen. Der Beklagte hatte den Bautenstand jeweils als Grundlage für die einzelnen Ratenzahlungen zu bescheinigen. Die Bautenstandsberichte waren zumindest auch dazu bestimmt sicherzustellen, dass Ratenzahlungen nur erfolgten, wenn der für deren Fälligkeit vereinbarte vertragsgemäße Bautenstand erreicht war.

Das Berufungsgericht wird daher nach Zurückverweisung der Sache zu prüfen haben, ob und inwieweit die einzelnen Bautenstandsberichte vorwerfbar fehlerhaft erstellt und die Fehler für die Auszahlung der Beträge nach dem Zahlungsplan kausal geworden sind.

Urteil vom 25. September 2008 – VII ZR 35/07

Landgericht Itzehoe – Urteil vom 27. Juni 2003 – 3 O 17/01

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht – Urteil vom 1. Februar 2007 –

7 U 86/03

Karlsruhe, den 25. September 2008

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

Unzumutbare Verzögerung von Eintragungen im Grundbuch

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte heute über die Frage zu entscheiden, inwieweit einem Grundstückseigentümer Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche wegen einer unzumutbaren Verzögerung der beantragten Eintragungen im Grundbuch zustehen. In dem zugrunde liegenden Fall hatte ein Bauträger auf seinem Grundstück Eigentumswohnungen gebildet und diese an Interessenten verkauft. Die Kaufpreiszahlungen sollten erfolgen, wenn zugunsten der Käufer Vormerkungen im Grundbuch zur Sicherung ihrer Ansprüche auf Eigentumsübertragung eingetragen waren. Der hierfür zuständige Rechtspfleger des Amtsgerichts war jedoch überlastet und trug die Vormerkungen deswegen erst nach einem Jahr und acht Monaten ein. Wegen des dem insolvent gewordenen Bauträger entstandenen Zinsschadens verlangt nunmehr die finanzierende Sparkasse, der die Ersatzansprüche abgetreten worden sind, von dem Bundesland Schadensersatz in Höhe von zunächst etwa 450.000 €. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben.

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Prüfung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Er hat hierbei allerdings die geltend gemachten Ersatzansprüche im Ansatz bejaht. Jede Behörde hat die Amtspflicht, Anträge mit der gebotenen Beschleunigung zu bearbeiten. Ist dies wegen Überlastung des zuständigen Beamten nicht gewährleistet, so haben nicht nur die zuständige Behörde (Amtsgericht), sondern auch die übergeordneten Stellen (Landgericht, Oberlandesgericht, Justizministerien) im Rahmen ihrer Möglichkeiten Abhilfe zu schaffen. Inwieweit sie hierzu in der Lage gewesen wären, war in dem vorliegenden Rechtsstreit bislang nicht hinreichend geklärt, so dass weitere Sachverhaltsfeststellungen und eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht nötig wurden. Soweit es dagegen um die Zuweisung von Haushaltsmitteln und Stellen an die Gerichte durch den Haushaltsgesetzgeber geht, hat der Bundesgerichtshof an seiner ständigen Rechtsprechung festgehalten, dass auf eine etwaige Pflichtverletzung des Gesetzgebers ein Schadensersatzanspruch des Bürgers nicht gestützt werden kann.

Bei der hier in Rede stehenden unzumutbaren Verzögerung von Eintragungsanträgen kommt außer dem Amtshaftungsanspruch noch ein Anspruch des Grundstückseigentümers auf angemessene Entschädigung für die entgangene Nutzung seines Eigentums aus dem Gesichtspunkt des so genannten „enteignungsgleichen Eingriffs“ in Betracht. Die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs, der allerdings nicht auf vollen Schadensausgleich gerichtet ist, hat der Bundesgerichtshof hier für gegeben erachtet. In dieser Beziehung waren aber noch weitere tatsächliche Feststellungen zur Höhe der Entschädigung durch das Berufungsgericht erforderlich.

Urteil vom 11. Januar 2007 – III ZR 302/05

OLG Schleswig – Urteil vom 10. November 2005 – 11 U 145/04 ./. LG Lübeck – Urteil vom 27. August 2004 – 9 O 159/02

Karlsruhe, den 11. Januar 2007

Pressestelle des Bundesgerichtshof

Vorkaufsrecht des Mieters einer öffentlich geförderten Mietwohnung

Die Kläger waren seit 1981 Mieter einer Wohnung in einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnanlage. Nach Veräußerung der Anlage im Jahre 1984 teilte der Erwerber das Grundstück in Wohnungseigentum auf. Im Jahre 1989 erwarb eine GmbH im Wege der Zwangsversteigerung u.a. die von den Klägern gemietete Eigentumswohnung. Nachdem über das Vermögen der GmbH im Jahre 1992 die Sequestration angeordnet worden war, bot der Sequester die Eigentumswohnung einem weiteren Erwerber zum Kaufe an, der das Angebot annahm. Der beurkundende Notar wies dabei die Kläger auf das Vorkaufsrecht nach § 2 Abs. 1 WoBindG hin, woraufhin der klagende Ehemann das Vorkaufsrecht ausübte. Als der Konkursverwalter die Berechtigung der Kläger zum Vorkauf in Abrede stellte, nahmen die Kläger die anwaltliche Hilfe der beklagten Anwälte in Anspruch. Diese erklärten mit Schreiben vom 7. November 1992, daß die Kläger sich keines Vorkaufsrechts berühmten. Der Erwerber ist in der Folgezeit als Eigentümer in das Wohnungsgrundbuch eingetragen worden.

Die Kläger nehmen die Beklagten mit der Behauptung, die Erklärung vom 7. November 1992 sei nicht von dem erteilten Mandat gedeckt gewesen, auf Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr dem Grunde nach stattgegeben.

Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das klagabweisende Urteil des Landgerichts wiederhergestellt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Beklagten müßten für einen Vermögensnachteil, der den Klägern nach ihrem Vortrag daraus entstanden sei, daß sie die Eigentumswohnung im Jahre 1992 nicht durch Ausübung des Vorkaufsrechts zu einem günstigen Preis hätten erwerben können, auch dann nicht einstehen, wenn die Beklagten zur Abgabe der Erklärung vom 7. November 1992 nicht berechtigt gewesen sein sollten; denn die Kläger seien beim Verkauf der Eigentumswohnung im Jahre 1992 nicht mehr vorkaufsberechtigt gewesen.

Nach herrschender Meinung gibt § 2b Abs. 2 WoBindG dem Mieter lediglich das Recht, beim ersten Verkauf nach Umwandlung der Mietwohnung in eine Eigentumswohnung das Vorkaufsrecht auszuüben. Dieser Auffassung schließt sich der Senat mit Rücksicht auf Sinn und Zweck des § 2b Abs. 1 WoBindG an. Mit der Einführung des dort normierten gesetzlichen Vorkaufsrechts sollte der Gefahr einer spekulativen Verdrängung von Mietern aus sozialen Mietwohnungen im Zuge der Umwandlung in Eigentumswohnungen entgegengewirkt werden; gleichzeitig wollte der Gesetzgeber die Veräußerung der Wohnungen grundsätzlich an die bisherigen Mieter sichern. Eine solche Gefahr besteht aber regelmäßig nur beim ersten Verkauf nach der Umwandlung, weil der Eigentümer, der von der Umwandlung profitieren will, sein Spekulationsinteresse typischerweise durch den baldigen Verkauf der umgewandelten Wohnungen realisiert.

Eine andere Beurteilung ist auch dann nicht geboten, wenn der erste Verkaufsfall ein nach § 512 BGB nicht zum Vorkauf berechtigender Verkauf im Wege der Zwangsvollstreckung oder ein Verkauf durch den Verwalter aus einer Konkurs- bzw. Insolvenzmasse ist. § 512 BGB trägt in erster Linie dem Interesse des Gläubigers an einer zügigen und möglichst günstigen Verwertung des Vermögensgegenstandes Rechnung; dahinter haben die Interessen des Vorkaufsberechtigten zurückzutreten. Die Verwertung wäre aber beeinträchtigt, wenn der Erwerber das Vorkaufsrecht für eine Eigentumswohnung, die er durch einen Verkauf im Sinne von § 512 BGB erworben hat, übernehmen müßte. Das Vorkaufsrecht nach § 2b WoBindG will lediglich den Eigentümerwechsel erschweren, dem auf seiten des Veräußerers vornehmlich Spekulativinteressen zugrunde liegen. Ein solches Interesse kann sich jedoch nicht verwirklichen, wenn der Wohnungseigentümer in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und zu einem von seinen Gläubigern veranlaßten „Zwangsverkauf“ im Sinne des § 512 BGB genötigt wird. Dem Mieter steht es im übrigen frei, bei der Zwangsversteigerung der Eigentumswohnung mitzubieten.

Da danach die Kläger ihr gesetzliches Vorkaufsrecht, das nach Umwandlung ihrer Mietwohnung in eine Eigentumswohnung im Jahre 1984 entstanden gewesen war, aufgrund des Erwerbs dieser Wohnung durch die GmbH durch Zuschlagsbeschluß im Jahre 1989 verloren hatten, konnte der spätere Verkauf der Eigentumswohnung im Jahre 1992 ein erneutes Vorkaufsrecht der Kläger nicht mehr auslösen.

Urteil vom 14. April 1999 – VIII ZR 384/97

Karlsruhe, den 15. April 1999

Pressestelle des Bundesgerichtshofs