Zwangsvollstreckung aus Grundschuld- Unterwerfungserklärungen

Der u. a. für das Recht der allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen zuständige VII. Zivilsenat hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen der zuständige Notar einem anderen als dem ursprünglichen Grundschuldgläubiger die für eine Zwangsvollstreckung notwendige Vollstreckungsklausel zu erteilen hat.

In vielen Fällen werden Kredite von Banken dadurch abgesichert, dass der Kreditnehmer der finanzierenden Bank eine Grundschuld bestellt. Gleichzeitig unterwirft er sich wegen des Anspruchs aus der Grundschuld der sofortigenZwangsvollstreckung. Wird die Grundschuld an einen Dritten (Zessionar) abgetreten, kann nunmehr dieser aus dem Vollstreckungstitel (der Unterwerfungserklärung) wegen des Anspruchs aus der Grundschuld vorgehen, wenn der Notar im sogenannten Klauselerteilungsverfahren die Unterwerfungserklärung zu seinen Gunsten für vollstreckbar erklärt. Die Klausel wird vom Notar erteilt, wenn die Vollstreckungsvoraussetzungen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen sind, § 727 Abs. 1 ZPO*, § 726 Abs. 1 ZPO**.

Der XI. Zivilsenat hat am 30. März 2010 (XI ZR 200/09, vgl. Pressemitteilung Nr. 68/2010) entschieden, dass eine solche formularmäßige Unterwerfungserklärung bei einer Sicherungsgrundschuld auch dann, wenn ihr Wortlaut dafür keine Anhaltspunkte biete, interessengerecht so auszulegen sei, dass der Zessionar nur dann aus ihr vorgehen könne, wenn er der Sicherungsvereinbarung, die der Kreditnehmer mit seiner Bank geschlossen hat, beitrete. Auf diese Weise sei sichergestellt, dass der Kreditnehmer auch in den Fällen, in denen die Abtretung der Grundschuld ohne seine Veranlassung – etwa aufgrund eines Verkaufs der Kreditforderung – erfolge, Einwendungen gegen den Anspruch aus der Grundschuld, die ihm gegenüber seiner Bank zugestanden hätten, gegenüber dem Zessionar geltend machen könne. Der XI. Zivilsenat hat zudem beiläufig darauf hingewiesen, dass deshalb im Klauselerteilungsverfahren von dem Notar zu prüfen sei, ob der Zessionar der Sicherungsvereinbarung beigetreten sei.

Diese Entscheidung hat den Notaren vor allem in den häufigen Fällen Probleme bereitet, in denen der Zessionar die Grundschuld auf Veranlassung des Kreditnehmers – etwa wegen einer Neuvalutierung oder einer Umschuldung – erworben hat. Sie haben teilweise auch in diesen Fällen die Erteilung der Klausel verweigert, weil der Zessionar regelmäßig nicht durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden den Nachweis erbringen kann, dass ein solcher Fall und nicht ein Fall vorliegt, in dem die Grundschuld ohne Veranlassung des Kreditnehmers abgetreten worden ist. Außerdem herrschte in der Notarpraxis und der Literatur seitdem Unsicherheit, wie in den übrigen Fällen der Nachweis des Beitritts zur Sicherungsvereinbarung mit der abtretenden Bank zu führen sei.

Der für Rechtsbeschwerden im Klauselerteilungsverfahren allein zuständige VII. Zivilsenat hat nunmehr in einer Grundsatzentscheidung klar gestellt, dass der Notar die Klausel in allen Fällen erteilen muss, in denen die Unterwerfungserklärung sprachlich keinen Anhaltspunkt für die vom XI. Zivilsenat angenommene Bedingung erhält. Der Grund liegt in der Formalisierung des Zwangsvollstreckungsverfahrens, die einer allein an Interessen orientierten Auslegung ohne jeden Anhaltspunkt im Wortlaut eines Vollstreckungstitels Grenzen setzt. Der vom XI. Zivilsenat bezweckte Schutz des Kreditnehmers wird dadurch gewährleistet, dass er in einem kontradiktorischen Erkenntnisverfahren, das durch eine Klauselgegenklage nach § 768 ZPO*** eingeleitet werden kann, die Einwendung vorbringen kann, die Unterwerfungserklärung sei einschränkend im Sinne der Entscheidung des XI. Zivilsenats auszulegen und die danach erforderlichen Voraussetzungen lägen nicht vor. In diesem Verfahren gilt insbesondere keine Beschränkung der Beweismittel auf öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden. Es kann dort deshalb beispielsweise unproblematisch festgestellt werden, ob der Zessionar die Grundschuld ohne Veranlassung des Kreditnehmers erworben hat.

Beschluss vom 29. Juni 2011 – VII ZB 89/10

LG Koblenz – Beschluss vom 1. Dezember 2010

Karlsruhe, den 19. Juli 2011

* § 727 ZPO

Vollstreckbare Ausfertigung für und gegen Rechtsnachfolger

(1) Eine vollstreckbare Ausfertigung kann für den Rechtsnachfolger des in dem Urteil bezeichneten Gläubigers sowie gegen denjenigen Rechtsnachfolger des in dem Urteil bezeichneten Schuldners und denjenigen Besitzer der in Streit befangenen Sache, gegen die das Urteil nach § 325 wirksam ist, erteilt werden, sofern die Rechtsnachfolge oder das Besitzverhältnis bei dem Gericht offenkundig ist oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird.

(2) Ist die Rechtsnachfolge oder das Besitzverhältnis bei dem Gericht offenkundig, so ist dies in der Vollstreckungsklausel zu erwähnen.

** § 726 ZPO

Vollstreckbare Ausfertigung bei bedingten Leistungen

(1) Von Urteilen, deren Vollstreckung nach ihrem Inhalt von dem durch den Gläubiger zu beweisenden Eintritt einer anderen Tatsache als einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheitsleistung abhängt, darf eine vollstreckbare Ausfertigung nur erteilt werden, wenn der Beweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird.

*** § 768 ZPO

Klage gegen Vollstreckungsklausel

Die Vorschriften des § 767 Abs. 1, 3 gelten entsprechend, wenn in den Fällen des § 726 Abs. 1, der §§ 727 bis 729, 738, 742, 744, des § 745 Abs. 2 und des § 749 der Schuldner den bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel als bewiesen angenommenen Eintritt der Voraussetzung für die Erteilung der Vollstreckungsklausel bestreitet, unbeschadet der Befugnis des Schuldners, in diesen Fällen Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckungsklausel nach § 732 zu erheben.

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

Haftung einzelner Mitglieder einer WEG für Wasserkosten

Der Bundesgerichtshof hat heute eine Entscheidung zur Haftung für die Kosten der Belieferung eines in Wohnungseigentum aufgeteilten Hauses mit Wasser sowie der Abwasserentsorgung getroffen. Eine Haftung einzelner Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner* für die Forderung des klagenden Versorgungsunternehmen wurde in dem entschiedenen Fall verneint.

Die drei Beklagten sind – neben anderen – als Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft Miteigentümer eines Grundstücks in Berlin. Die Klägerin versorgte dieses Grundstück mit Trinkwasser und entsorgte das auf dem Grundstück anfallende Schmutzwasser. Die Klägerin verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldner die Zahlung restlichen Entgelts in Höhe von rund 3.600 € für die von ihr erbrachten Leistungen im Zeitraum von April 2006 bis März 2007. Die Beklagten sind der Ansicht, dass nur die rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für die Forderungen der Klägerin hafte und nicht die jeweiligen Mitglieder als Gesamtschuldner.

Das Amtsgericht hat der Klage gegen eine Beklagte aufgrund eines Anerkenntnisses teilweise stattgegeben; die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Die dagegen gerichtete Revision der beiden anderen Beklagten hatte Erfolg. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Beklagten nicht als Gesamtschuldner haften. Die Vertragsangebote der Klägerin richteten sich nach dem Wortlaut der Vertragsbedingungen nicht an die einzelnen Wohnungseigentümer, sondern an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Mit der Annahme der Angebote sind Verträge über die Belieferung mit Wasser und die Abwasserentsorgung jeweils mit derWohnungseigentümergemeinschaft zustande gekommen. Soweit diese bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt, ist sie nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtsfähig (Beschluss vom 2. Juni 2005 – V ZB 32/05, BGHZ 163, 154; vom Gesetzgeber zum 1. Juli 2007 in der Vorschrift des § 10 Abs. 6 Wohnungseigentumsgesetz (WEG)** umgesetzt). Dies hat Konsequenzen für das Haftungssystem. Konnte ein Gläubiger für Schulden der Gemeinschaft nach früherer Auffassung sämtliche Wohnungseigentümer als Vertragspartner und somit als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen, ist Vertragspartner nunmehr in der Regel die teilrechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft. Daneben kommt eine gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer nur in Betracht, wenn sie sich daneben klar und eindeutig auch persönlich verpflichtet haben. Daran fehlt es im entschiedenen Fall.

Der Bundesgerichtshof hat die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Dieses muss nun die Miteigentumsanteile der Beklagten feststellen. Denn die Beklagten haften zwar nicht als Gesamtschuldner für die gesamte Forderung, sie haften aber gemäß § 10 Abs. 8 WEG* nach dem Verhältnis ihres jeweiligen Miteigentumsanteils für die Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümergemein-schaft.

*§ 421 BGB: Gesamtschuldner

Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet.

**§ 10 WEG: Allgemeine Grundsätze  

(6) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gegenüber Dritten und Wohnungseigentümern selbst Rechte erwerben und Pflichten eingehen. …Sie kann vor Gericht klagen und verklagt werden.

(8) Jeder Wohnungseigentümer haftet einem Gläubiger nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils (§ 16 Abs. 1 Satz 2) für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die während seiner Zugehörigkeit zur Gemeinschaft entstanden oder während dieses Zeitraums fällig geworden sind; …

Urteil vom 20. Januar 2010 – VIII ZR 329/08

AG Berlin-Spandau, Urteil vom 19. März 2008 – 13 C 518/07

LG Berlin, Urteil vom 14. Oktober 2008 – 9 S 7/08

Karlsruhe, den 21. Januar 2010